Ein letztes Mal Schottland. Für meinen letzten Post zu „Eine Runde Schottland“ habe ich mir New Lanark World Heritage Site aufgehoben. Die ehemalige und aufwendig restaurierte Textilfabrik-Siedlung ist UNESCO Weltkulturerbe und unbedingt einen Besuch wert!

New Lanark Textilfabrik
Die ehemalige Arbeitersiedlung aus dem 18. Jahrhundert liegt etwa eine Stunde Autofahrt südöstlich von Glasgow. Von Edinburgh und Stirling braucht man laut Routenplaner ungefähr genau so lang. Neben den verschiedenen Museumsgebäuden gibt es hier auch ein Hotel, ein Konferenz-Zentrum und eine kleine, auch heute bewohnte Siedlung.

New Lanark, Spinnerei und Textilfabrik
Der erste Sozialist
Nachdem ich den großen Parkplatz angefahren hatte, der oberhalb des Ortes liegt, bin ich den Fußweg zum Ort und zum Fluss Clyde hinabgestiegen. Schon von oben sieht man, dass hier alles sehr ordentlich und in Reih und Glied ausgerichtet ist! Der ganze Ort wurde 1785 von dem Textilkaufmann David Dale als neuartige Industriesiedlung gebaut. Richtig berühmt wurde New Lanark aber erst nach 1800, als sein Schwiegersohn Robert Owen das Ruder übernahm. Dem lag nämlich – im Gegensatz zu seinen Industriellen-Kollegen – das Wohl und die Produktivität seiner Arbeiter am Herzen. Er gilt als der erste Sozialist und ist Begründer des Genossenschaftswesens.
Okay, von einer 40-Stunden-Woche mit 5 Arbeitstagen waren die Arbeiter in der Baumwolle-Fabrik noch ziemlich weit entfernt, aber ein bisschen weniger ausgebeutet wurden sie schon. Zudem ging Owen nichts über Bildung – die von den Kindern und auch von den Erwachsenen in seiner Fabrik. Andere Unternehmer hielten ihn damals übrigens für völlig übergeschnappt!
Die Arbeiter mussten bei Owen „nur“ noch 10,5 Stunden am Tag arbeiten (sonst 13–15 h), hatten einen Tag in der Woche frei, waren kranken- und rentenversichert und bekamen erträgliche Unterkünfte zugewiesen. Die Prügelstrafe wurde abgeschafft. Kinder unter 10 Jahren sollten wenn möglich gar nicht arbeiten und besser die Schulbank drücken. Die Klassenzimmer standen nach der Arbeit aber auch den Erwachsenen zum Lernen zur Verfügung. Damit alles reibungslos lief, gab es strenge Regeln: vom Arbeitsbeginn, über die Pausenregelung bis hin zu festen Terminen für das Putzen von Hausflur und Fenster. Der Genuss von Alkohol war stark eingeschränkt, dafür wurden vor Ort bezahlbare Lebensmittel verkauft.

Der Dachgarten von New Lanark
Annie erzählt
Im Besucher-Zentrum von New Lanark bekam mich meine Eintrittskarte, die mir den Zugang zu allen Museums-Teilen ermöglichte. Wenn da man so durch den Ort schlendert, den „Supermarkt“, das Klassenzimmer, die Wohnungen der Arbeiter und das Haus von Robert Owen – der natürlich deutlich komfortabler lebte als seine Arbeiter – besichtigt, kann man sich ganz gut in das Leben der Menschen um 1800 hineinversetzen. Highlight meines Besuches war für mich der Annie McLeods Experience Ride. In der ehemaligen Spinnerei habe ich mich in eine Gondel gesetzt, ähnlich einer Geisterbahn auf dem Jahrmarkt, und dann ging es ab in die Vergangenheit! Begleitet von der Stimme der zehnjährigen Annie, die nicht das Glück hatte die Schulbank zu drücken, weil die Familie ihren Verdienst ziemlich dringend brauchte, fuhr ich mitten hinein in die Geschichte der Fabrik. Aber Achtung, Annie ist ein Geist – und das Ende ihrer Story ziemlich traurig.

River Clyde, New Lanark
Nachdem ich alle Museumsteile abgelaufen hatte, habe ich mich noch ein bisschen in der näheren Umgebung umgesehen. Hier ist der Clyde ziemlich wild. Und fließt mit hoher Geschwindigkeit, perfekt für die großen Wasserräder der Spinnerei. Die Natur ist grün und die Luft sauber. Ein Spaziergang lohnt auf jeden Fall!